Michael Janke, Januar 2024

Genau jetzt ist die Zeit, in der die Menschen anfangen sich zu sehnen. Nach mehr Licht und Luft und Lebensenergie. Denn zu wenig hatten sie von all dem, die letzten Monate. Zumeist grau in grau getönte Tage, und viel zu kurze noch dazu, zollten ihren Tribut. Seit November darben sie nun schon. Schlapp und antriebslos, müde, gereizt oder gedrückter Stimmung, so schleppen sich viele derzeit durch die Tage. Dem Mood des Blues’ bedeutend näher als dem Verve des Tangos.

Es ist der sog. Winter-Blues, der aktuell den Ton angibt. Und Millionen Menschen hierzulande Lust und Laune verhagelt, ihnen emotional den Stecker zieht. Nicht wenige fragen sich, wie sie die Zeit bis zum Frühlingserwachen noch durchstehen sollen.

Gibt es etwas, was sich dagegen tun lässt? Etwas, was dem Blues die Melancholie nehmen und dem Lebensmotor wieder Drive verleihen kann? Haben speziell wir Präventionstrainer Tricks und Tipps auf Lager, die wir hierfür empfehlen könnten? An unsere Kursteilnehmer und Kunden, Freunde, Verwandten und Bekannten?

No Licht, no fun!

Ja, zugegeben. Sprachlich ist die Überschrift eine kleine Zumutung. Allerdings bringt dieser verballhornte Slogan die Kernaussage unseres Themas perfekt auf den Punkt. Es geht um den sog. Winter-Blues, von dem sich bis zu 25 % der deutschen Bevölkerung alljährlich vereinnahmt fühlen. Wer sich „blue“ (=„blau“) fühlt, ist melancholisch oder gar niedergeschlagen. Die wehmütige Stimmung spiegelt sich in der Musikrichtung des Blues tonangebend wider.

Momente der Antriebslosigkeit und kurze Stimmungstiefs während der dunklen Jahreszeit kennt vermutlich jeder. Leidet die Psyche jedoch über mehrere Wochen, kann auch eine saisonal-abhängige Depression dahinterstecken, die ca. 10% der vermeintlichen Blues ‘er betrifft.

Winterdepression erkennen

Von einer saisonal abhängigen Depression (seasonal affective disorder / SAD), auch „Winterdepression“ genannt, wird gesprochen, wenn sich die Symptome einer depressiven Episode ausschließlich und wiederholt zu einer bestimmten Jahreszeit, typischerweise im Herbst und Winter zeigen.

Charakteristisch für die Winterdepression ist die anhaltende Müdigkeit. Schon nach dem Aufwachen würde man am liebsten im Bett liegenbleiben. Man fühlt sich schlapp und antriebsarm. Auch tagsüber fehlt es an Energie. Dazu kommt eine starke Lust auf Süßes. Viele Betroffene nehmen deshalb im Herbst und Winter zu.

Auf der Sonnenseite des Lebens leben

Dass gedrückte Stimmung und Depression in Herbst und Winter mit dem Faktor Licht zu tun haben müssen, davon zeugt, dass erheblich mehr Menschen von Symptomen bei Eintritt in die kalte und dunkle Jahreszeit berichten als jene, die diese im Sommer vermelden.

Der zweite Hinweis einer Lichtabhängigkeit ergibt sich aus einem Nord-Süd-Gradienten der Betroffenenzahl. So ist die Prävalenz von SAD in nördlichen Ländern deutlich höher als in südlichen. Im Norden, wo die Winter länger und dunkler sind, haben Menschen eher diese Art von Depression als in den südlichen Ländern am Mittelmeer, wo sie kaum bekannt ist. Auch in den USA ist die Winter-SAD im nördlichen Alaska und Neufundland ungleich häufiger vertreten als in den Sonnenstaaten Texas und Florida. Wie aber ist es möglich, dass so etwas wie „Licht“ unsere Gemütslage, unser Schlafbedürfnis und unseren Appetit so drastisch beeinflussen können?

Zu kurz, zu flach und zu dunkel

Trifft Licht auf die Netzhaut unseres Auges, werden die dort befindlichen lichtsensitiven (Foto-) Rezeptoren gereizt. Diese „sagen“ dem Gehirn, ob es „draußen“ Tag ist, oder Nacht, ob es abendlich dämmert oder der Morgen graut. Je nachdem, was lichtmäßig passiert, regelt das Gehirn unsere körperlichen Prozesse rauf oder runter. Geht’s ans Schlafen, wird man schläfrig. Geht’s ans Tageswerk, wird man wach und munter.

Mittler zwischen Lichtrezeption und Schlaf-Wachregulation sind die körpereigenen Stoffe Melatonin und Serotonin. Das Hormon Melatonin ist fürs Schlafen zuständig, der Neurotransmitter Serotonin für Wachheit und Action. Außerdem verschafft er gute Laune.

Nimmt die Lichtintensität draußen ab, wird es also dunkel, wird der Melatoninspiegel hoch- und das Serotonin heruntergefahren. Man wird müde und schläfrig. Nimmt die Lichtintensität wieder zu, geht alles den umgekehrten Weg. Melatonin zieht sich zurück, Serotonin schwingt sich auf. Man wird wach und munter, fühlt sich gut und energetisch in Form.

Den Rest kann man sich denken. Kurze, und graue Tage bedeuten viel Melatonin und wenig Serotonin. Das Schlafbedürfnis ist groß, die Tagesmüdigkeit ausgeprägt. Und da Serotonin auch das „Gute-Laune-Molekül“ ist, ist es mit dieser auch nicht weit her. Zum Ausgleich wird Schokolade gegessen, dies hilft dem Serotonin ein wenig auf die Sprünge. Dem Gewicht allerdings ebenso.

Wenn man bedenkt, dass die Lichtintensität bei sommerlichen Sonnenschein 100.000 Lux und mehr beträgt, im Winter aber gerade mal 5.000 Lux erreicht werden, dann wird klar, wie stark sich das Melatonin-Serotonin-Verhältnis verändert. Hält man sich winters zudem überwiegend noch in künstlich belichteten Räumen auf, dann sind es sogar nur noch 500 Lux, die man abbekommt.

Aber nicht nur Melatonin und Serotonin reagieren auf die Lichtverhältnisse. Indirekt betroffen sind noch weitere Stoffe, die mit der Winterblues-Symptomatik zusammenhängen. Aus dem Gleichgewicht geraten auch Dopamin und Endorphine, beide an der Erzeugung angenehmer Gefühle beteiligt. Auch der Neurotransmitter Noradrenalin ist negativ betroffen. Dieser macht wach, fokussiert und ist wichtig für die Konzentration.

Dem Sonnenvitamin fehlt die Sonne

Last but not least, geraten wir auch noch in ein Vitamin D3 – Defizit. Dieses wird in der Haut gebildet, wenn Sonnenlicht draufscheint. Ein Mangel an diesem hormonähnlichen Vitamin, wird auch mit der Entwicklung depressiver Verstimmungen in Zusammenhang gebracht. Für dessen Bildung fehlt es im Winter aber nicht nur an Tageslichtstunden. Das bisschen Licht wirkt nämlich noch nicht einmal. Daran ist der niedrige Sonnenstand im Winter schuld. Er sorgt für einen zu flachen Lichteinfallswinkel, um das Vitamin bilden zu können.

Und, was kann man gegen all dies nun tun?

Möglichkeiten, dagegen anzugehen

Raus aus dem Haus, lautet die erste wichtige Empfehlung. Denn draußen ist es immerhin 5x heller als im beleuchteten Innenraum. Mehr Lux macht mehr Jux, könnte man flapsig sagen.

Und wenn schon draußen, dann am besten auch ins Laufen kommen. Denn seit Anfang der 90er Jahre wissen wir, auch aufgrund bedeutender Beiträge deutscher Wissenschaftler rund um Prof. Wildor Hollmann, das dynamische muskuläre Beanspruchungen umfassend auch die Gehirnphysiologie aufmischt. Und, kaum überraschend, gerade jene neuro-chemischen Faktoren betrifft, die am Winterblues beteiligt sind. Nur eben andersherum. Serotonin, Dopamin, Noradrenalin und Endorphine werden während motorischer Aktivität vermehrt gebildet, Melatonin dagegen reduziert. Setzt man regelmäßig Bewegungsimpulse gegen die Lichtarmut, fühlt man sich wacher und lebendiger, zufriedener und ausgeglichener.

Und diese Botschaft können wir weitergeben. Sich dem Winterblues nicht passiv hingeben, sondern aktiv dagegen an-gehen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Oder auch an-tanzen. Der Tango lässt grüßen!

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