Michael Janke, Sep 2022
Gewiss, für uns Präventionstrainer ist dies ein alter Hut. Sport, Training und regelmäßige körperliche Aktivität erhalten gesund, machen zufriedener, schützen vor Erkrankung und Pflegebedürftigkeit und ja, wir gewinnen auch an Lebensjahren; verlängern also unsere Lebenszeit! Im Schnitt sind es 5 Jahre, die wir mehr auf dieser Welt verweilen (dürfen). Einfach nur deshalb, weil wir einen bewegungsreichen Lebensstil pflegen.
Warum das so ist, verraten uns die Wissenschaftler. Diese können bis in die molekularen Vorgänge unserer Körperzellen hineinschauen und die Rätsel unbekannter Vorgänge entschlüsseln. Entdecke nun auch du das bislang letzte – und kleinste Glied – in der molekularen Ereigniskette zwischen Bewegung, Gesundheit und Langlebigkeit.
2009 wurde der Mikrobiologin Elizabeth Blackburn und ihrem Team der Nobelpreis für Medizin verliehen. Sie hatten entdeckt, wie sich die Chromosomen der Zelle, in denen sich der Großteil des Erbguts befindet, vor „Verschleiß“ schützen. Denn bei jeder Zellteilung, durchschnittlich 50–70-mal im Lebensgang einer Zelle, werden die chromosomalen Erbgutfäden in Mitleidenschaft gezogen. Hätten diese keinen Schutz, würden sie relativ schnell funktionsuntüchtig werden. Und vorzeitig sterben. Und wir bald mit ihnen.
Der Stoff, aus dem das lange Leben besteht, wirkt in Gestalt von Telomeren. So werden die „Kappen“ genannt, die auf den Enden der sich im Zellkern befindlichen Chromosomenfäden sitzen. Ähnlich wie bei Schnürsenkeln verstärken diese deren Enden und verhindern dessen Ausfransen bzw. Aufdröseln. Je länger sie sind, umso länger halten sie auch. Allerdings: Wo gehobelt wird, fallen auch Späne. Und auch die Telomere müssen „bluten“ für ihr gutes Werk. Sie lassen Federn in der Ausübung ihrer Funktion. Und gehen aus jeder Zellteilung ein Stück kürzer hervor. Von Mal zu Mal verlieren sie an Länge, bis sie irgendwann einmal so kurz sind, dass sie ihre Schutzfunktion nicht mehr erfüllen können. Und dann ist Schluss mit der Zellteilung.
Auf diesem Mechanismus beruhen unsere Alterungs- und Erkrankungsvorgänge. Denn wenn die Bilanz nicht stimmt, die Rate zwischen Werden und Vergehen von Zellen negativ ist, wenn mehr Zellen gehen als kommen, dann geht es abwärts. Die gute Nachricht hierbei: Je länger die Telomere, desto länger und gesünder das Leben! Die schlechte Nachricht: Die Geschwindigkeit des Längenverlusts wird durch ungünstige Lebensstilfaktoren wie Rauchen, Alkohol, ungünstige Ernährung, Bewegungsmangel, Stress und zu wenig bzw. schlechter Schlaf beschleunigt. Aber: Wo Schatten ist, muss auch Licht sein! Richtig. Denn umgekehrt funktioniert es genauso. Einige günstige Lebensweise verlangsamt den Telomerverschleiß. Ein Weniger von den zuvor genannten Einflussfaktoren verhindert ein „vorzeitiges“ Ableben genauso, wie Kränklichkeit und Siechtum.
Liz Blackburn und ihrem Team ist es zu verdanken, dass wir heute wissen, wie sich die Verkürzung der Telomere beenden, ja sogar rückgängig machen lässt. Treibende Kraft ist ein Enzym, welches Telomerase genannt wird. Dieses kurbelt die Regeneration der Telomere an und kann sogar neue produzieren. Einer deutschen Forschergruppe um Christian M. Werner von der Uni des Saarlandes gelang kürzlich der Nachweis, dass ein bestimmtes Maß an körperlicher Aktivität, die Telomerkappen nicht nur langsamer schrumpfen lässt, die Alterungsvorgänge also entsprechend entschleunigt, nein, es konnte sogar Gegenteiliges festgestellt werden. Die Kappen gewannen um 3-3,5% an Länge hinzu!
Interessanterweise hatten nicht alle Aktivitäten den gleichen Effekt. Während Ausdauer- und Intervallbelastungen zu längeren Telomeren führte, konnte dies für Krafttrainingseinheiten nicht nachgewiesen werden. Bei Ausdauertraining nahm die Telomerase-Aktivität und die Länge der Telomere zu; und zwar nach jeder Trainingseinheit für 24 Stunden. Dieser Effekt wurde bei Kraftsport nicht beobachtet. Ausdauertraining hält die Zellen also eher jung als Kraftsport, zumindest, wenn die Länge der Telomere als Indikator für das Altern dient.
Dass nicht jede sportliche Aktivität auch die gleichen Effekte mit sich bringt, zeigte jüngst besonders eindrucksvoll die viel beachtete „Copenhagen City Heart-Studie“. Bis zu 10 Jahre mehr Lebenszeit ist uns mit einem bewegungsaktiven Lebensstil vergönnt. Vor allem, wenn die hier aufgeführten Sportarten bevorzugt werden. Fällt dir dabei etwas Besonders auf?
Die Sportarten, welche die Liste anführen, haben eine Sache gemeinsam: Sie werden im Team oder mindestens zu zweit gespielt!
Scheinbar haben speziell Teamsportarten einen positiven Einfluss auf die Lebenserwartung der Menschen. Offenbar spielt hier die Komponente der sozialen Interaktion eine entscheidende Rolle. In Teamsportarten bewegt man sich also nicht einfach nur „stumpf vor sich hin“. Vor allem ist man mit anderen gemeinsam aktiv. Und dieses gemeinsame Miteinander ist unermesslich für ein längeres Leben ist.
Fazit: In deiner Funktion als Präventionstrainer kannst du dein Wissen über Chromosomen und Telomere sinnvoll ein- und anbringen. Verweise darauf, dass es wesentlich „gesünder“ ist, in der Gemeinschaft zu trainieren als allein und erzeuge damit auf Seiten deines Teilnehmers das gute Gefühl, in deinem Kurs genau richtig zu sein. Solltest du Ausdauergruppen anleiten, dann motiviere diese besonders mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Wirkung von Ausdauersport auf die Länge der Chromosomen. Und solltest du selbst ganzheitlich sportlich aktiv sein, wie wäre es damit, es (auch) wieder mit einer Ausdauersportart im Team zu versuchen? Wir wünschen viel Freude und Spaß dabei!